Ärger um Buxtehudes Freizeithaus: Jugendliche kündigen Protest an

Kein Platz für Jugendliche und Musik: Nachbarn wollen die Nutzung des Freizeithauses massiv einschränken. Foto: Wisser
Kein Platz für Jugendliche und Musik: Nachbarn wollen die Nutzung des Freizeithauses massiv einschränken. Foto: Wisser

Kein Platz für Jugendliche in Buxtehude: Sie dürfen das Freizeithaus in den Abendstunden und am Wochenende nicht nutzen. Das wollen sie nicht akzeptieren.

 

Buxtehude. „Wir werden uns wehren. Online, offline und für viele sichtbar“, sagt Achim Biesenbach. Der Vorsitzende des Buxtehuder Stadtjugendrings spricht für 53 Vereine und Organisationen.

 

Viele sind direkt von der massiven Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des Freizeithauses betroffen. Der Stadtjugendring steht nach eigenen Angaben für 60 bis 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Buxtehude.

 

Letzter Platz für Jugendliche in Buxtehude

Wie das TAGEBLATT exklusiv berichtete, müssen die Veranstaltungen auf Anordnung der Stadt Buxtehude um 21.30 Uhr enden. Damit soll sichergestellt werden, dass ab 22 Uhr Ruhe ist.

 

Am Wochenende soll zudem die Nutzung auf einige wenige Veranstaltungen eingeschränkt werden. Geschuldet ist das einem Anwohner, der sich beschwert und laut Stadtverwaltung einen Anwalt eingeschaltet hat.

 

Die Arena im Freizeithaus ist in Buxtehude und Umgebung die einzige Möglichkeit für Musik-Nachwuchsgruppen, vor Publikum aufzutreten. Foto: Anping Richter
Die Arena im Freizeithaus ist in Buxtehude und Umgebung die einzige Möglichkeit für Musik-Nachwuchsgruppen, vor Publikum aufzutreten. Foto: Anping Richter

Bisher diente das Gebäude bis Mitternacht als Konzertort und Treffpunkt für die Buxtehuder Jugend. Im Freizeithaus haben mit „My Six Stages“ und „Buxte Rhymes“ zwei Konzertreihen ihr angestammtes Zuhause, die mindestens in der Region einzigartig sind.

 

Die Konzerte sind wichtig für den Bandnachwuchs

Dass solche Formate so gut angenommen werden, ist keine Selbstverständlichkeit. „Kollegen anderer Kommunen beneiden uns“, sagt Stadtjugendpfleger Gabriel Braun. Das kommt nicht von ungefähr.

 

„In die Projekte ist ganz viel Arbeit, Geld und ehrenamtliches Engagement geflossen“, betont Nick Reinartz. Der Buxtehuder Musiker und Eventmanager gehört zum Organisatoren-Team. Ihn hat die Location schon als Jugendlicher begeistert.

 

Das Freizeithaus sei schon immer einer der wenigen Orte gewesen, der neuen Bands die Chance biete, sich unter professionellen Bedingungen auszuprobieren.

 

In der Arena wurde immer wieder in Sound- und Lichttechnik investiert, am Mischpult werden die jungen Musiker vom Soundcheck bis zum Auftritt von Profis betreut.

 

Dabei spielt diese Buxtehuder Bühne für den Musiknachwuchs noch in anderer Hinsicht eine tragende Rolle: Aus ihr erwachsen Newcomer, die dann zum Programm von Altstadtfesten und anderen Großevents in der Region gehören und junges Publikum zu den Veranstaltungen ziehen.

 

Profis am Mischpult und moderne Technik

Gabriel Braun und Nick Reinartz teilen dieselben Befürchtungen. Wenn Konzerte hier künftig nur noch bis 21.30 Uhr laufen könnten, werde das den Reiz und die Energie aus den Veranstaltungen nehmen. Beide hoffen, dass Verwaltung und Politik sich für das Freizeithaus starkmachen.

 

„Ich kann verstehen, dass es für die Anwohner anstrengend ist. Aber ich würde mir wünschen, dass sie sehen, wie wichtig und wertvoll dieser Ort für Buxtehude ist“, so Reinartz.

 

Dennis Ellmer: „Das ist ein Unding“

Musiker Dennis Ellmer hat die neuen Einschränkungen schon zu spüren bekommen. Am vergangenen Wochenende stand er mit Black Ember (ehemals The Reckless) bei der Premiere des Local Heroes Contests im Freizeithaus auf der Bühne.

 

An Publikum fehlte es zwar nicht, aber die Bands waren gehalten, strikt nach Zeitplan zu spielen. Spontane Zugaben fielen so flach.

 

„Das ist ein Unding“, sagt er zur aktuellen Situation. „Die Arena ist ultrawichtig. Wo sonst gibt es in Buxtehude eine so cool ausgestattete Konzertlocation?“ An der hängen für die Band ganz viele Emotionen. 2021 hatten sie hier ihr erstes richtiges Konzert. Der Sänger und Gitarrist findet, dass solche Projekte viel mehr gefördert werden sollten, gerade nach Corona.

 

Krisensitzung und Kampagnen-Start

„Irgendwann haben wir in Buxtehude gar kein Geräusch mehr außer Entengeschnatter. Noch sind wir doch nicht auf dem Friedhof“, sagt Ellmer.

 

Viele Nutzer haben sich zu einer Krisensitzung am Freizeithaus getroffen und ihren Emotionen erst einmal freien Lauf gelassen.

 

„Das Freizeithaus darf nicht sterben“, „das Freizeithaus gehört zu Buxtehude“, „das Freizeithaus ist einer der letzten Plätze für Jugendliche in Buxtehude“ und ähnliche Sätze waren bei dem emotionalen Treffen zu hören. Und: „Krass, dass sich die Verwaltung so schnell einschüchtern lässt.“

 

„Wir werden ab dem 30. August eine Kampagne starten“, sagt Achim Biesenbach. Der Stadtjugendring hat die Hoffnung, dass die Politik sich gegen die Anordnung der Verwaltung stellt und eine gerichtliche Auseinandersetzung riskiert.

 

„Schlimmer als jetzt kann es eigentlich nicht mehr werden“, sagt Biesenbach. Das faktische Verbot von richtigen Abendveranstaltungen im Freizeithaus gehe an der Lebenswirklichkeit von Jugendlichen vorbei.

 

Die nächste turnusgemäße Sitzung des zuständigen Jugendhilfeausschusses ist am 29. September. So lange wollen die Jugendlichen und ihre weitgehend ehrenamtlichen Vertreter Druck machen.

 

Keine Aussicht auf einen erfolgreichen Widerstand?

Aus Sicht der Verwaltung wird der Widerstand wenig nutzen. Stadtbaurätin Michaela Springhorn hat jetzt erstmals öffentlich die Hindernisse für eine weitere Nutzung dargelegt.

 

„Tatsächlich sind wir an dem Thema schon länger dran“, sagt sie auf TAGEBLATT-Nachfrage. Die jetzt gültige Baugenehmigung für das Haus stamme von 1984 und auch sie sehe die Einschränkung bis 22 Uhr schon vor.

 

Beim Bereich rund um den Geschwister-Scholl-Platz handele es sich um einen allgemeinen Wohnbereich. Da dürfe es zwar Gastronomie oder kulturelle, sportliche oder soziale Orte geben. Nichts davon verhindere aber die 22-Uhr-Grenze für Veranstaltungen, so Springhorn.

 

Seit Generationen ein Ort für Jugendliche

Für das Freizeithaus gelten plötzlich dieselben Regeln wie für ein Wohnhaus, obwohl es das niemals war. Die Geschichte des Hauses ist wechselvoll. Erbaut wurde das Freizeithaus 1938 als Freizeitheim für den nationalsozialistischen Nachwuchs in der Hitlerjugend.

 

Nach Ende des 2. Weltkriegs war es unter anderem ein Lazarett. Ab 1971 wurde das Haus für alle Generationen genutzt, bis die Stadtjugendpflege es ab 1983 für Kinder und Jugendliche öffnete.

 

Die Buxtehuder Politik reagiert in ersten Stellungnahmen ratlos. Sie wurde bereits im Mai hinter verschlossenen Türen über die Probleme informiert. Schon im Februar gab es laut Teilnehmern Polizeieinsätze im Zusammenhang mit Anwohnerbeschwerden bei einem Konzert.

 

Freizeithaus: Erste Reaktion aus der Politik

„Es ist schlimm, dass individuelle Rechte so massiv das Gemeinwohl beschädigen können“, sagt Olaf Riesterer, CDU-Fraktionsvorsitzender im Rat der Hansestadt Buxtehude.

 

„Das sind bestimmt die gleichen Leute, die dann den Jugendlichen wieder vorwerfen, dass sie an den falschen Plätzen rumhängen“, sagt Bente Rosebrock, Co-Vorsitzende der Grünen im Rat. Offen gegen die Ansage der Verwaltung stellt sich aktuell aber niemand.

 

Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Buxtehuder Rat, Nick Freudenthal, sagt: „Es ist erschütternd, dass mal wieder das Recht Einzelner dazu führt, eine kinder- und jugendfeindliche Umgebung zu schaffen.

 

Dasselbe Phänomen haben wir auch schon bei Spiel- und Bolzplätzen oder Schulhofnutzungen gesehen. Da besteht im Sinne der Gesamtgesellschaft dringender Handlungsbedarf seitens des Gesetzgebers.“

 

 

Quelle: Buxtehuder Tageblatt, Artikel von Fenna Weselmann und Karsten Wisser, erschienen am 22. August 2025, vielen Dank für die Erlaubnis zur Veröffentlichung an dieser Stelle

 

 

Freizeithaus: Buxtehudes Verwaltung ist krachend gescheitert

Kommentar von Karsten Wisser

 

Bei der Causa Freizeithaus gibt die Stadt ein schlechtes Bild ab. Der Buxtehuder Institution droht das Aus. Und es stellen sich zwei Fragen.

 

Buxtehude. Seit 1983 ist das Freizeithaus in Buxtehude ein Ort für die Jugend und für die junge Musikszene - nun steht es quasi vor dem Aus. Was sich in Buxtehude abspielt, ist ein Stück aus dem bürokratischen Tollhaus.

 

Es reichen ein paar Einwohnerbeschwerden, um mindestens die langjährig etablierten Musikformate zu zerstören und die Wochenendnutzung des Freizeithauses unmöglich zu machen.

 

Der Streit erinnert fatal an die Auseinandersetzung um das Jahnstadion. Auch dort reichte die Klageandrohung einer Person mit Unterstützung einiger Mitläufer, um den Sport und die Nutzungsmöglichkeiten einzuschränken.

 

Damit ist die Nachwuchs-Musikszene in Buxtehude tot

Bei der gesamten Thematik stellen sich zwei Fragen. Erstens: Wo ist noch Platz für Jugendliche und für Musik in Buxtehude? Zweitens: Wie sicher sind andere kulturelle und sportliche Einrichtungen in der Stadt?

 

Mit dem Rückenwind der letzten Entscheidungen aus dem Stadthaus schwebt über allen die Gefahr, dass Anwohnerbeschwerden deren Existenz bedrohen.

 

Die erste Frage lässt sich schnell beantworten: Bleibt die Anordnung der Verwaltung mit dem Veranstaltungsende um 21.30 Uhr bestehen, ist die Nachwuchs-Musikszene tot, und der Besuch des Freizeithauses hat etwas von Kindergeburtstag. Das ist für Jugendliche in Buxtehude ein, gelinde gesagt, ganz schlechtes Angebot.

 

Sich nur wegzuducken, ist keine dauerhafte Lösung

Die zweite Frage muss die Verwaltung beantworten. Den Kopf einzuziehen und zu hoffen, dass sich niemand beschwert, ist krachend gescheitert. Beim Jahnstadion und dem Freizeithaus hat es nicht funktioniert. Politik und Verwaltung müssen sehr ernsthaft überlegen, ob sie nicht den Weg durch die juristischen Instanzen gehen.

 

Klar ist, für Jugend-Einrichtungen in Wohngebieten gibt es im Baurecht keinen Paragrafen, der die Nutzung absichert. Damit steht Buxtehude nicht alleine. In anderen Orten in Niedersachsen gibt es diese Probleme auch.

 

Rechtssicher kann das nur das Land Niedersachsen und der Landtag als Gesetzgeber lösen. Eine entsprechende Initiative wäre aus sehr aktuellem Anlass eine Aufgabe für die Buxtehuder Landtagsabgeordnete Birgit Butter.

 

Quelle: Buxtehuder Tageblatt, Kommentar von Karsten Wisser, erschienen am 22. August 2025